englishE9N - ENSEMBLE 9. NOVEMBER

PREMIERE:
Donnerstag, 2. November 2017

DENKE ICH AN KAFKA
WERDE ICH ZUM FUCHS








Fotos:
Sabine Lippert


Alle Aufführungen:
Donnerstag, 2. November 2017, 20 Uhr
Freitag, 3. November 2017, 20 Uhr
Samstag, 4. November 2017 ,20 Uhr
Sonntag, 5. November 2017, 18 Uhr

Mittwoch, 15. November 2017, 20 Uhr
Donnerstag, 16. November 2017, 20 Uhr
Freitag, 17. November 2017, 20 Uhr


Gallus Theater
Tel. Reservierungen
069 75 80 60 20
Kleyerstraße 15
60326 Frankfurt
http://www.gallustheater.de



Eine musikalische Groteske mit unabsehbaren Folgen.

URAUFFÜHRUNG


Nach der Erzählung von David Garnett “ Dame zu Fuchs“
Deutsche Übersetzung Maria Hummitzsch, Doerlemann Verlag



„Wenn Frauen fuchsig werden.“ (Zeit Online)

David Garnett, englischer Autor, bewegte sich in den berühmten literarischen Zirkeln um Virginia Woolf (Bloomsburrygroup). Bekannt wurde er vor allem nach dem Erscheinen seiner Novelle:
"Dame zu Fuchs" 1922.
Zehn Jahre, nachdem Franz Kafka seinen Gregor Samsa in ein unwürdiges Insekt verwandelte, findet hier eine ebenso merkwürdige Metamorphose statt: " Mann bleibt Mann, Frau wird Fuchs".
Leichtfüßiger und weniger düster als Kafkas Verwandlung, erleben wir bei Garnett ein ironisch gestricktes Verhältnis zwischen Mensch und Tier. Das Zusammenleben mit Mrs. Tebricks fortschreitender " VERPELZUNG", mit Humor und einer allumfassenden Wärme beschrieben, erweist sich dennoch als äußerst komplex. Der Prozess der Verwilderung schreitet voran, erzeugt jedoch immer wieder Funken menschlicher Nähe. Unaufhörlich strahlt die Liebe Mr. Tebricks zu seiner Fähe, schmerzhaft komisch in seinem Bemühen, sie als Frau und später auch als Tier anzuerkennen. Eingebaut ist ein dramatischer Schachzug von 3 Fabelwesen, die sowohl die Atmosphäre als auch die Handlung mit Choreografien, Objekten und obskuren Bildern anheizen.
"Dame zu Fuchs" ist eine Liebesgeschichte, die aus ungewöhnlichen Perspektiven an den Gitterstäben der Konventionen rüttelt." (Deutschland Funk)
"Ein wunderbares Vexierbild der Liebe", ein Taumel rasanter Bilder, voll trunkener Ästhetik, außergewöhnlichen Objekten und Kostümen, lassen raffinierte Rhythmen und rätselhafte Körpersprache entstehen. Wie immer ein "Gesamtkunstwerk".

Das Ensemble 9 November lädt alle Liebhaber von Kunst zu dieser ästhetischen Partitur der Sinne ein!

Regie / Dramaturgie
Helen Körte

Bühne / ObJEKTE
Wilfried Fiebig

Musik
Elvira Plenar
(Komposition, Piano)

Choreographie
Damaso Mendez

Kostüme
Margarete Berghoff

Licht
Johannes Schmidt

Schauspiel
Raiija Siikavirta (Füchsin)
Michael Fernbach (Mr. Tebrick)
Fabelwesen: Janine Karthaus, H. Linde
Damaso Mendez

Zeichentrick
Leonore Poth

Storyboard
Helen Körte

Ausschnitt "Uterus Film"
Andreas Dominiak, Mari Krehe

Grafik / Animation
Jörg Langhorst

Fotografie
Sabine Lippert

Regieassistenz
Hanna Linde

Mit freundlicher Unterstützung des Kulturamts Frankfurt und der FAZ Stiftung


PRESSESPIEGEL

Frankfurter Allgemeine Zeitung vom 4.11.2017:

Die Gattin hat die Gans gestohlen
Eine Frau verwandelt sich in einen Fuchs, der Mann liebt sie trotzdem. Was für ein Theater.

Von Hans Riebsamen

Möchte man lieber Käfer sein oder Fuchs? Denkt man an den armen Gregor Samsa, der in Franz Kafkas Erzählung „Die Verwandlung“ eines Morgens als „ungeheures Ungeziefer“ erwacht, würde man doch lieber in einen Fuchs verwandelt sein. Der wird immerhin geliebt, zumindest in der 1922 entstandenen Erzählung „Lady into Fox“ des britischen Dichters David Garnett.
Im Gallus Theater lässt Helen Körte in ihrer Inszenierung der Hauptdarstellerin Raija Siikavirta, die mit ihrer verwegenen rotblonden Kurzhaarfrisur ohnehin etwas Fuchshaftes besitzt, einen Fuchsschwanz wachsen und ein Fell, das ihren Rücken sowie ihre rechte und linke Seite plötzlich ziert. Sie schnurrt und knurrt sich bezaubernd durch das Stück.
Vorerst stielt diese Füchsin aber noch nicht die Gans, sondern schmiegt sich wie ein Kuscheltier an den Menschengatten an, dargestellt vom überzeugend derangierten Michael Fernbach. Doch dann wird’s immer schwieriger für das seltsame Paar. Fünf junge Füchslein wecken zwar den Vatertrieb des Weiterhin-Ehemanns, doch gezeugt hat sie ein richtiger Fuchs. Da muss selbst der toleranteste Mann eifersüchtig werden. Dabei hat es so schön romantisch angefangen mit Mr. und Mrs. Tebrick, die frisch verheiratet sind und sich glücklich im Kreise drehen. Nun tritt auf einmal die tierische Natur zwischen die Liebenden, die junge Gattin wird pelzig und riecht nicht mehr wie ein schönes Weib, sondern wie ein streunender Fuchs. Zum Glück liebt der Gatte die Fuchs gewordene Ehefrau auch weiter, selbst wenn diese seltsame Angewohnheiten annimmt und auf Entenjagd geht. Wie immer verzichtet Regisseurin Körte auch in ihrer Bühnenadaption der Fuchs-Erzählung mit dem Titel „Denk ich an Kafka, werde ich zum Fuchs“ auf Realismus und psychologische Einfühlung. Sie setzt stattdessen auf starke Bilder, präsentiert ihre Darsteller als lebende Kunstwerke, stellt sie auch zwischen Kunstwerke, die Bühnenbildner Wilfried Fiebig glitzernd von der Decke baumeln lässt. Schauspiel, Tanz, Musik, Gesang, Film — Körte lässt keine Kunst aus, sondern führt die Gattungen zu einem unterhaltsamen Gesamtkunstwerk zusammen". Ja, in dieser Inszenierung zeigt die Regisseurin, dass sie durchaus auch einen Spaß zu machen versteht. Das Verwandlungsdrama ist recht eigentlich eine Komödie, die zur komischen Farce neigt. Den Part der Erzähler übernehmen als drei Fabelwesen Janine Karthaus, Hanna Linde und Damaso Mendez, denen die Regisseurin allerhand Verwandlungskunst abverlangt.
Auch Fernbach als der arme Gatte, der ob seines Unglücks menschenscheu wird und erst wieder ein rechter Mann sein wird, wenn die Füchsin erlegt ist, treibt die Geschichte mit Worten voran. Die der Menschensprache nicht mehr mächtige Füchsin darf dagegen allenfalls mal in hündisches Heulen ausbrechen. Endlich erfahren wir mal, welche Laute Meister Reineke eigentlich von sich gibt. Vielleicht klänge er weniger schön ohne die Begleitung von Elvira Plenar, die an Klavier und Synthesizer dem Stück eine avanciert musikalische Basis gibt. Was hätte Kafka wohl dazu gesagt? Wahrscheinlich hätte er Körte gebeten, seine „Verwandlung“ in ähnlicher Art auf die Bühne zu bringen.

Frankfurter Rundschau vom 4.11.2017:

Die Verwandlung
Das Ensemble 9. November findet wunderbare Bilder und Töne für David Garnetts Roman „Dame zu Fuchs“.

Von Judith von Sternburg

Der Roman „Dame zu Fuchs“ des Briten David Garnett (1892—1981) brachte dem Zürcher Dörlemann Verlag Anfang 2016 einen unerwarteten Renner (dem sich, ebenfalls empfehlenswert, Garnetts „Mann im Zoo“ anschloss). Auf Englisch erschien das Buch 1922 und erzählt — wie zuvor Franz Kafka in einem anderen Land, und Garnett kann das eigentlich nicht gewusst haben — von einer unvorhergesehenen Verwandlung; hier aber einer jungen Frau in eine F ähe und erlebt aus der Sicht ihres Mannes. Ihr Mann ist verhältnismäßig gefasst. Er liebt die Füchsin erst prinzipiell, dann mit Leidenschaft weiter und bemüht sich insgesamt, das Beste aus der Situation zu machen. Das Beste aus der Situation? Was mag das sein? Auch wenn Garnett nicht umhinkommt, die praktischen und grotesken Seiten der drastischen Veränderung zu thematisieren — Geruch, Kleidung, Moral, Ernährungsgewohnheiten, und wie verbringt man hinfort die Abende zusammen? —‚ ist „Dame zu Fuchs“ ein leichtherzigerer, aber doch naher Gregor Samsa —Verwandter. Das Ensemble 9. November nennt seine Version des Romans also „Denk ich an Kaka werde ich zum .Fuchs“ und führt im Frankfurter Gallus-Theater in eine Zauberwelt der Metamorphosen. Musikalisch angeführt von Elvira Plenar am Klavier —‚ in dem „Fuchs, du hast die Gans gestohlen“ gerupft, Unterhaltungs- und Volksmusiken herangeweht, Popsongs sanft verfremdet werden. Szenisch, indem seltsame Wesen die Erzähl- regie übernehmen und die wie für diese Rolle auf die Welt und zu ihrem Beruf gekommene Raiija Siikavirta sich in die Füchsin verwandelt. Der erste Teil der Metamorphose geht geschwind. Im Buch braucht es 1 Satz dafür, im Theater überbrücken die unheimlich gewitzten Fabelwesen Janine Karthaus, Hanna Linde und Damaso Mendez mit frankensteinischem Zinnober die Zeit zum Umziehen (ausgeflippte Kostüme: Margarete Berghoff).
Auch soll man sehen, dass es keine Kleinigkeit ist, zum Fuchs zu werden. Der zweite Teil der Metamorphose — nicht nur wie eine Füchsin auszusehen, sondern eine zu sein — dauert länger und spiegelt sich en detail in Raiija Siikavirtas Gesicht. Zärtlichkeit und Schönheit obsiegen im Gallus-Theater in einer denkbar verschrobenen Lage. Die Liebe des Ehemannes ist so entschlossen und sympathisch, dass man über Michael Fernbach zwar lacht, aber auch gerührt ist. Als er die Füchslein seiner Frau kennenlernt, gewinnt er sie rasch lieb. „Ich werde ihre Ausbildung bezahlen“, sagt Fernbach und scheint selbst zu stutzen, aber nur kurz. Helen Körte (Regie) und Wilfried Fiebig (Bühne / Objekte) kommen wunderbar ins Erzählen, lassen sich tragen von der Freude am Sonderbaren, Vorurteilsfreien. Fiebigs bezirzende Objektwelt hängt in erster Linie von der Decke, auf einerLeinwand quaken Enten, jagt Füchschen Häschen (oder umgekehrt?) und knurrt (?!) der große böse Fuchsrivale (Zeichentrick: Leonore Poth). Es wird getanzt und geturnt. Man sieht sich nicht satt, aber alles entwickelt sich aus dem Erzählen einer fantastischen, stark geerdeten Geschichte, die nicht gut ausgehen kann.
   
DER TRAUM DER ROTEN KAMMER
ODER DIE GESCHICHTE DES NICHTS
   
Dr. Wilfried Fiebig
Inszenierung, Dramaturgie, Objekte, Bühne

Helen Körte
Proben, Choreographie

Schauspiel, Gesang, Tanz
Mirjam Baur
Janine Karthaus
Eric Lenke
Kathrin Schyns
Gesang:
魏雪 (Xue Wei)
Gabriele Zimmermann
Violine:
Katrin Becht
Piano:
한 혜 진 (Hye-Jin Han)

Musikalische Einspielungen:
HUI Taak-Cheung (Komposition)
Bastian Fiebig (Komposition)
Projektionen (Malerei):
Christine Fiebig
Yue Jiang

Licht:
Tarkan Gürsoy
Wilfried Fiebig

Dramaturgie Assistenz:
蒲江虹 (Jianghong Pu-Kleene)

PREMIERE:
Donnerstag, 23. März 2017

DER TRAUM DER ROTEN KAMMER
ODER DIE GESCHICHTE DES NICHTS




Bild: Christine Fiebig







Fotografie:
Sabine Lippert




Alle Aufführungen:
Donnerstag, 23.März 2017, 20 Uhr
Freitag, 24. März 2017, 20 Uhr
Samstag, 25. März 2017 ,20 Uhr
Sonntag, 26 März 2017, 18 Uhr

Donnerstag, 18. Mai 2017, 20 Uhr
Freitag, 19. Mai 2017, 20 Uhr
Samstag, 20. Mai 2017, 20 Uhr
Sonntag, 21. Mai 2017, 18 Uhr

Gallus Theater
Tel. Reservierungen
069 75 80 60 20
Kleyerstraße 15
60326 Frankfurt
http://www.gallustheater.de



IM CHAOS DER TRÄUME
FLIEGENDE WÄNDE
INMITTEN EINER ZERRISSENEN OPER

Ein neues Gesamtkunstwerk des E9N feiert Premiere.



„Der Traum der roten Kammer“ ist eine gesamtkünstlerische, freie Dramatisierung des gleichnamigen chinesischen Romans aus dem 18.Jh. Er handelt von einem Liebesdrama, das sich nach dem Willen der göttlichen Vorsehung auf Erden abspielen soll.
Die Vorgeschichte dieses Liebesdramas spielt vor der Zeit, während danach, eingetaucht in die rasende Zeit, sich die Liebe in all ihrem Wechsel wild entfaltet und am Ende zurückkehrt zu der Zeitlosigkeit des Anfangs.
Im Chaos der Träume, fliegende Wände inmitten einer zerrissenen Oper, es ist ein Taumel von Bildern, Licht und Farbe, soweit das Auge reicht, Körper, ganz umschlungen von fleischlichen Abenteuern, kreuzen sich mit skulpturalen Materialien, die sich als schillernde Reflexionen emporrangeln, rätselhaft von Musik begleitet, stachelt all dies die Dynamik und Poesie an, surreal und auch humorvoll, in allen Wirrungen des „Traums der roten Kammer“. Vielseitige Schauspieler/innen, unterstützt von einer mitspielenden Violine, die Figuren der Traumerzählung skizziert, führen zugleich ins Reich der Erotik, voller Anmut und Schicksal.
Eröffnet wird dies , in einer Art Gesangsouvertüre , von einer Chinesischen Sängerin, begleitet von einer Koreanerin am Piano. Im Verlauf des Abends bezaubert ebenfalls Gabriele Zimmermann als Mezzosopran.
Mit der Dramatisierung des chinesischen Romans erweitert das „Ensemble 9. November“ nun den Horizont seines Repertoires nicht nur im Sinne der Weltliteratur. In der Inszenierung werden sich chinesische und europäische Kunstelemente abwechseln, gegenübertreten und durchdringen, ihre Ästhetiken geltend machen.

Gesamtinszenierung, Objekte, Bühne, Dramatisierung :
Dr. Wilfried Fiebig

Probe und Choreographie:
Helen Körte

Schauspiel, Gesang, Tanz:
Mirjam Baur,
Janine Karthaus,
Eric Lenke,
Kathrin Schyns

Gesang:
Xue Wie,
Gabriele Zimmermann

Violine:
Katrin Becht

Piano:
Hye-Jin Han

Musikalische Einspielungen:
HUI Taak-Cheung
Bastian Fiebig (Komposion)
Projektionen, Malerei:
Christine Fiebig,
Yue Jiang

Dramaturgische Assistenz:
Jianghong Pu-Kleene

Licht:
Tarkan Gürsoy,
Wilfried Fiebig

Fotos:
Sabine Lippert
Grafik:
Joerg Langhorst


PRESSESPIEGEL

Frankfurter Rundschau vom 25.3.2017:

Untergang einer Großfamilie
Das Ensemble 9. November dramatisiert ein chinesisches Epos

Von Andrea Pollmeier

das Ensemble 9. November (E9N) hat keine Scheu vor umfassenden literarischen Werken. Nachdem zuletzt ein rumänischer Roman für die Bühne bearbeitet wurde, hat sich das Duo Helen Körte und Wilfried Fiebig jetzt einem der wichtigsten Werke der chinesischen Literatur zugewandt.
Der im 18. Jahrhundert entstandene Roman „Der Traum der roten Kammer“ ist erst vor zehn Jahren vollständig ins Deutsche übersetzt worden und erzählt die Geschichte vom Verfall und Untergang einer chinesischen Großfamilie. Das ausladende Gesamtwerk umfasst 120 Kapitel, etwa 350 Personen treten auf, im Europäischen Universitätsverlag ist es in drei Bänden erschienen. Wilfried Fiebig hat eine überzeugende, lyrisch verdichtete Bühnenversion erarbeitet und darin zentrale philosophische Grundzüge des komplexen Werkes in den Vordergrund gestellt. „Der Traum der roten Kammer oder die Geschichte vom Nichts“, so der vollständige Titel der E9N-Inszenierung, die jetzt im GallusTheater in Frankfurt Uraufführung hatte, erzählt die im Roman angelegte Dreiecks-liebesgeschichte zwischen dem androgynen Pao Yü und seinen beiden Cousinen, der draufgängerischen Pao Ttschai und der in sich gekehrten Lin Tai Yü. Die Kraft der Inszenierung liegt jedoch nicht in dem am Roman orientierten Handlungsablauf. Es ist Vielmehr die autonome Art, in der sich das E9N der chinesischen Erzählweise annähert, ohne diese zu imitieren. So wirkt der Premierenabend nicht wie ein missglückter Versuch, auf chinesische Art daherzukommen. Ein solcher Weg hätte trotz der engen Zusammenarbeit mit chinesischen Künstlern (u.a. Dramaturgie-Assistenz: Jianghong Pu-Kleene) scheitern müssen. Andererseits ist aber auch spürbar, dass Kultursprachen unterschiedlicher Welten hier zusammengeführt worden sind.
Zu Beginn singt ein buddhistischer Mönch — ohne übersetzte Texteinblendung — in chinesischer Sprache. Es folgt der Gesang von Xue Wei, die von Hye-Jin Han am Piano begleitet wird. In kargen, stilisierten Sprechakten, bei denen Gesang, Tanz und Schauspiel (Mirjam Baur, Janine Karthaus, Eric Lenke und Kathrin Schyns) eng ineinander greifen, wird im Folgenden von der Geburt des Jungen Pao Yü erzählt. Er ist mit einem Jadestein im Mund geboren. Geister haben sein Leben gerettet und ihn zu einem Auserwählten gemacht. Fortan greifen sie schicksalhaft in sein Leben ein.
Entstanden ist ein komplexes Werk, das auf den Ebenen von Text, Musik (Violine: Katrin Becht), Malerei (u.a. mit Werken des Malers Yue Jiang) und Tanz (Choreografie: Helene Körte) Synergien erzeugt, die keiner Leitkultur Raum gibt.

FAZ vom 25.3.2017:

„Der Traum der roten Kammer“

Der wohlbeleibte Chinese in traditioneller Kleidung ist kein Geringerer als der Künstler Yue Jiang, ein im Reich der Mitte prominenter Meister der klassischen Tuschmalerei, dessen Arbeiten vor knapp fünf Jahren im Gallus-Theater ausgestellt worden waren. Im Gegenzug zu einer Schau, die der Künstlerphilosoph Wilfried Fiebig in Frankfurts Partnerstadt Guangzhou damals zeigte. Jetzt hat Fiebig den chinesischen Roman „Der Traum der roten Kammer“ von Cao Xueqin aus dem 18. Jahrhundert in eine Dramenversion gebracht, ein Bühnenbild dafür geschaffen und etliche Objekte gebaut, mit denen die Schauspieler des „Ensembles 9. November“ wie üblich eine konstruktive Symbiose eingehen. Regie führte Helen Körte. Sie gab Yue Jiang einen Auftritt zu Beginn des Stücks. Vermutlich zitiert er mit großer Geste einen Auszug aus dem epischen Mammutwerk, eine personenreichen Geschichte einer Familie im Verfall.
Auf der Bühne im Gallus wurde aus dem Roman eine west-östliche Szenenfolge rund um das Geheimnis des roten Zimmers und des leuchtenden Jade-steins, mit dem ein Knabe im Mund geboren wurde. Aus Mythologie und Eros entstehen poetische und manchmal urkomische Bilder, Traumsequenzen und neckische Momente. Das alles beherrschende Thema ist die Liebe, die hier als Schicksalsmacht in dem wörtlichen Sinn zu verstehen ist, dass höhere Kräfte sie auf der Erde inszenieren, was dem Begehren und Schmachten, dem Schwärmen und dem Kummer keinen Abbruch tut.
Keiner ist vor den Wirren der Gefühle sicher, aber auch nicht davor, sich lächerlich zu machen — ein Aspekt, den die Inszenierung weidlich ausschöpft. Doch sie nimmt immer Bezug auf das kultivierte Spiel, als das die Liebe zumindest in den höheren Kreisen des Kaiserreichs China stets gesehen wurde. Dazu passen die künstlerischen Gebilde, die Objekte und Installationen, die Kostüme und Körpererweiterungen, die in den theatralen Arbeiten von Körte und Fiebig immer eine wichtige Rolle spielen. Zwar ist die Ausstattung üppig und von einem phantastischen Formenreichtum, aber die Dinge wirken wohlgeordnet, manchmal geradezu geometrisch, sind Teile eines Traums von Ebenmaß und Schönheit, Ausgeglichenheit und Weltenharmonie. Ein bisschen Taoismus ist dieses Mal dabei, auch wenn die ästhetische Moderne des Abendlands mit ihren Zersplitterungen und Zerfaserungen nicht völlig ausgeblendet wird. Aber die ostasiatische Anmutung bestimmt über weite Strecken das Geschehen, auch das musikalische. Denn so viel Westen muss sein: Ohne den Anspruch auf ein Gesamkunstwerk aus Literatur, Musik, bildender Kunst geht hier nichts.
(zen)