englishE9N - ENSEMBLE 9. NOVEMBER

PREMIERE
11. NOVEMBER 2009 9:00, 11:00, 20:00 UHR

NUSSKNACKER UND
MAUSEKÖNIG








Fotos: Sabine Lippert

WEITERE AUFFÜHRUNGEN:


November 2009

Do. 12.11.09 9.00 Uhr + 11.00 Uhr + 20.00 Uhr
Fr. 13.11.09 9.00 Uhr + 11.00 Uhr + 20.00 Uhr
Sa. 14.11.09   15.00 Uhr + 20.00 Uhr
So. 15.11.09   15.00 Uhr
Mo. 23.11.09 9.00 Uhr + 11.00 Uhr
Die. 24.11.09 9.00 Uhr + 11.00 Uhr
Mi. 25.11.09 9.00 Uhr + 11.00 Uhr

DEZEMBER  2009

Do. 17.12.09 9.00 Uhr  + 11.00 Uhr + 20.00 Uhr
Fr. 18.12.09 9.00 Uhr + 11.00 Uhr + 20.00 Uhr
Sa. 19.12.09   15.00 Uhr + 20.00 Uhr
So. 20.12.09   15.00 Uhr
Die. 22.12.09   15.00 Uhr + 20.00 Uhr
Mi. 23.12.09   15.00 Uhr

Vormittagsvorstellungen nur mit Voranmeldung.

Gallus Theater
Tel. Reservierungen
069 75 80 60 20
Kleyerstraße 15
60326 Frankfurt
http://www.gallustheater.de


Für Kinder gibt es kein besseres Märchen, als ein Märchen für Erwachsene,
ein Kunstmärchen, von E.T.A.Hoffmann : „Nussknacker und Mausekönig“.

Indem das E9N dieses als Partitur für seine gesamtkünstlerische Interpretation aufgreift, will es nicht nur dem Gesamtkünstler E.T.A.Hoffmann gerecht werden, sondern mit der, darin sich provokativ Geltung verschaffenden, Phantasie, das Korsett wohlmeinender `Kindgerechtigkeit´ sprengen.
Mit dieser Intention weiß sich das E9N in bester Gesellschaft mit anderen Autoren und Künstlern der Wirkgeschichte  Hoffmannscher Stoffe.

Nüsse, Nüsse, harte Nüsse
sammelt E.T.A.Hoffmanns „Nussknacker und Mausekönig“ zu hauf...
Auf dem Weg, diese zu knacken und den verwunschenen Nussknacker, alias `junger Drosselmeier´, zu erlösen, begleitet das E9N, mit Tanz, Musik, Gesang, darstellendem Spiel und bildender Kunst, die kleine Marie, durch die Wirklichkeit ihrer Träume, die Traumlosigkeit der Realität sowie ihre liebevolle Phantasie, mit der sie schließlich siegt und dem Erlösten, als seine Braut, in dessen Königreich folgt.

Mit dem Gesamtkünstler E.T.A.Hoffmenn sowie dem Komponisten
Peter I.Tschaikowskij, vertritt das E9N die, durchaus erwachsene, Auffassung, dass dies alles so wirklich geschah und immer wieder geschieht, und dass
„man überall funkelnde Weihnachtswälder, durchsichtige Marzipanschlösser, kurz, die allerherrlichsten, wunderbarsten Dinge erblicken kann, wenn man nur 'die Augen und Ohren darnach hat'.“

REGIE: Wilfried Fiebig

REGIE: Helen Körte (`Das Puppenreich´)

MUSIK: Jens Hunstein

DARSTELLER/INNEN:
Claudio Vilardo
Ruth Klapperich
Verena Specht-Ronique
Jens Böke

Musikalischer Teppich / Bühne / Objekte / Kostüme:
Wilfried Fiebig

Mit freundlicher Unterstützung:
Kulturamt Frankfurt am Main, Hessisches Ministerium für Wissenschaft und Kunst, Hochschule für Gestaltung Offenbach am Main

PRESSESTIMMEN



Frankfurter Allgemeine Zeitung 13.11.09

Am Limonadenfluss im Puppenreich

Kinder, denkt man, seien der Natur näher als verbildete Erwachsene. Mag sein. Dann aber ist es ihre sehr eigene Natur. Und die ist recht künstlich. Eine Konstruktion. Eine Anderwelt. Ein Feenreich. Eine Spielzeugerde. Ihr Prinzip ist die Traummechanik: Lebloses wird lebendig, Lebendiges erstarrt zu Gegenständlichem, Schönes verwandelt sich in Hässliches und umgekehrt. Die Welt, ein Kunstmärchen. Das Märchen, eine Welt, in der das Künstliche alles andere überlagert. E.T.A. Hoffmann hat die Grenzen zwischen Alltag- und Phantasie in seinen Romanen und Erzählungen verflüssigt, in „Nussknacker und Mausekönig” ist es die Perspektive eines sieben Jahre alten Mädchens, in die er ein phantastisches Geschehen rückt. Das Frankfurter „Ensemble 9. November (E9N)”, geleitet von Helen Körte und Wilfried Fiebig, hat den Text in eine dramatische Fassung gebracht und führt diese im Gallus-Theater „für Menschen von 6 bis 96 Jahren” auf. Als Weihnachtsmärchen für die Kleinen, als gattungsübergreifendes Spiel für alle. Mit, wie bei dieser Truppe üblich, Tanz, Musik, Gesang. Und bildender Kunst.

Es gibt wohl keine Gruppe in der freien Theaterszene Frankfurts, in der sie eine so entscheidende Rolle spielt wie bei diesem Ensemble. Das ist Fiebig zu verdanken, der nicht einfach ein Bühnenbild und Kostüme anfertigt, sondern komplexe bildhauerische Werke und eine spezifische Körperkunst, die sich im Wechselspiel von Formen sowie Materialien mit den menschlichen Bewegungen entfaltet. Das artifizielle Märchen wird auf diese Weise nicht illustriert, auch nicht ausgestattet oder gar ausstaffiert. Vielmehr werden parallel zu ihm künstlerische Artefakte vorgeführt, die auf das Künstliche selbst verweisen, das Ganze auf eine abstrakte Ebene heben, es zugleich jedoch auch mit Licht und metallischem Glanz, mit üppigen Objekten und strenger Geometrie mit Sinnesreizen aufladen. Die Schauspieler agieren in Gestellen, die sie zu künstlichen, also zu Kunstfiguren machen, diese kämpfen mit großen Leuchtstangen, nie kann ein Zweifel bestehen, dass es sich um imaginäre Existenzen handelt, die sich bekriegen. Gleichwohl sind sie so wirklich, dass das Kind Marie am Schluss in das am Limonadenfluss liegende Puppenreich geht. Aus Liebe zum Nussknacker, der eigentlich der heldenhafte, wenngleich nicht allzu groß gewachsene Neffe des Paten Droßelmeier ist. Es gibt eine Vorgeschichte von Mäusen und Menschen, bei der einiges schiefgelaufen ist, was dafür sorgt, dass der Mausekönig die Macht über den Nussknacker hat. Dieser muss den Mausekönig besiegen. Und jemanden finden, der ihm aufrichtig zugetan ist. Weil Marie den Nussknacker so liebgewonnen hat, erhält dieser seine ansehnliche Jünglingsgestalt zurück.

Der Nussknacker aber oder die Prinzessin Pirlipat aus der Vorgeschichte sind ebenso skulpturale Objekte von eigenem Rang wie etwa das Schloss, das der Pate Droßelmeier, auch so eine Kunstfigur, am Heiligabend den Kindern Marie und Fritz schenkt. Es funkelt und glitzert auf der Bühne, dass es eine wahre Freude ist. Jens Böke, Ruth Klapperich, Verena Specht-Ronique und Claudio Vilardo agieren voller Spiellust, Jens Hunstein setzt sparsame musikalische Akzente in einem Klangteppich, den Fiebig geknüpft hat. Alles in allem: ein Stück exakter Phantasie. Michael Hierholzer
   

PREMIERE 12. MÄRZ 2009 – 20:00 UHR.



Fotos: Sabine Lippert

WEITERE AUFFÜHRUNGEN:


Sa. 14. März 2009
So. 15. März 2009

Do. 19. März 2009
Fr. 20. März 2009
Sa. 21. März 2009
So. 22. März 2009

Wiederaufnahme: Do. 7. Mai 2009
Fr. 8. Mai 2009
Sa. 9. Mai 2009


jeweils 20.00 Uhr.

Gallus Theater
Tel. Reservierungen
069 75 80 60 20
Kleyerstraße 15
60326 Frankfurt
http://www.gallustheater.de

FRAU IM MOND UND ANDERE LIEBHABER

Musiktheater
Die Inszenierung, unter dem Titel "Frau im Mond + andere Liebhaber", entwirft eine gesamtkünstlerische Interpretation von 4 Erzählungen 4 deutschsprachiger Autorinnen, wobei jede der Erzählungen ihren eigenen Auftritt erhält:

  1. "Mondgeschichte" – Ilse Aichinger
  2. "Undine geht" – Ingeborg Bachmann
  3. "Besuch vom Hund" – Karen Duve
  4. "Kluge Else, Katherlieschen" – Christa Reinig
  1. "Mondgeschichte". Unter jazzigen Klängen im Rahmen eines Schönheitswettbewerbs, beginnt die erste Erzählung. In seinem Verlauf entschließt sich die hierzu versammelte illustre Gesellschaft zu einer Reise zum Mond, will man doch dem Anspruch, eine `Miß Universum ´ zu küren, gerecht werden. Dort angelangt, begegnen sie, im Nebel umhüllten Mondgestein, Shakespeares unvergleichlich schöner Orphelia. Erfüllt von der Einsicht, daß keine ihr gleiche, trennen sich die Preisrichter und `Miß Erde´ von der auf dem Mond zurückbleibenden Orphelia. Letztes Bild: Eine aus dem Koma erwachte Miss Erde blickt auf den vorbeiziehenden Mond.
  2. "Undine geht", ein tänzerischer Monolog für 3 Frauen, 3 Stühle und 1 "Hänschen klein...", ein Hans für alle Fälle; aber auch "Hans, der Eine."
    Das Stampfen einer wilden Herde von Pferden geht über in das den Monolog wiederholt begleitende Stampfen der Frauen. "Im Spiegel des Hans" erleidet Undine leidenschaftlich Ausbrüche ihrer Gefühle: Zärtlichkeit, Todessehnsucht, Rache , Bewunde derung, Verachtung in der Form einer Schmährede im "Schmerzton." Ihr Männer "die Ihr Eure Geliebten und Frauen, zu Eintagsfrauen, Wochenendfrauen, Lebenslangfrauen macht." Der Eine fährt mit ihr Riesenrad, der Andere teil Wirtschaftsgeld ein.
  3. "Besuch vom Hund" ist eine Ode an das Tiersein im Menschen, an den Wolf im Hund. Mit seinem unerwarteten Besuch bei der Dichterin bricht der Hund in den wohlgeordneten Kreis einer kleinen Partygesellschaft ein, fordert sie mit unerwarteten Kommentaren heraus, entlarvt sie und bestimmt zunehmend den Verlauf der Dinge.
    Dabei treffen aufeinander: Ein `Blues Brother-Pärchen, mit weiblichem Anhang, eine Dichterin, ein Hund, der `Biß zeigt ´, über das `Hundsein´ philosophiert; und da ist dann immer noch "Billy the Kid..." Karen Duve zelebriert hier englisches Understatement, `Anglo-Saxon´ Humor, irgendwo zwischen Chaplin und Woody Allen.
  4. "Kluge Else, Gänsemagd als Bremer Stadtmusikanten". Die Erzählung vereint Frauenfiguren aus einigen Märchen der Gebrüder Grimm zu einem gemeinsamen Vorhaben: Der Gründung einer Beatband, den "Bremer Stadtmusikanten".
    Hierzu verlassen sie das häusliche Allerlei, ihnen zugedachter Frauenrollen, und begeben sich zielstrebig nach Bremen, dem Bestimmungsort ihrer Autonomie. Doch so einfach geht das nicht. Im Mondbeleuchteten Wald stoßen sie auf eine Trainingseinheit der Armee; Drill, Kampfschreie und immer wieder Liegestützen, Liegestützen, Liegestützen....
Die 4 Inszenierungen verknüpfen , zum reicheren Verständnis der Dramaturgie deren choreographiertes Spiel mit eigens hierfür komponierter und live vorgetragener Musik (Instrumental und Gesang), einer schillernden dynamischen Bühne, prächtigen Kostümen, Projektionen Neuer Medien und einem fein ausgetüftelten Lichtdesign.

KONZEPTION, DRAMATURGIE, REGIE: Helen Körte
KOMPOSITION, MUSIKAL. LEITUNG: Martin Lejeune
SCHAUSPIELER/INNEN: Katryn Schyns, Margie King, Verena Specht-Ronique, Willi Forwick, Claudio Villardo, Fernando Fernandez, Thomas Ulrich.
MUSIKER: Martin Lejeune, Jens Hunstein, Peter Kölsch
BÜHNE, OBJEKTE: Wilfried Fiebig
KOSTÜME: Margarete Berghoff
FILME: Sebastian Schnabel, Tanja Herzen (HFG)
PROJEKTION: Jörg Langhorst, Wilfried Fiebig
LICHTDESIGN: Oliver Heyde
FOTOGRAPHIE: Sabine Lippert

PRESSESTIMMEN



Frankfurter Allgemeine Zeitung 14.03.2009
MAN TRÄGT JETZT GIEßKANNE
Helen Körtes skurrile " Frau im Mond " im Gallus-Theater
Hans Riebsamen


Wer ist die Schönste im ganzen Land? Drei Grazien erheben im Gallus-Theater darauf Anspruch, drei liebreizende Damen in bauschigen Kleidern und mit extravaganter Kopfbedeckung. Frau trägt in dieser Saison Gießkanne auf dem hübschen Köpfchen — hat Modeschöpferin Helen Körte festgelegt, um flugs Maßschneider Wilfried Fiebig ins Atelier zu schicken. Doch die Schönste ist nicht hier auf Erden unter den Geishas der Teezeremonie zu finden, die Schönste, Ophelia, schaut vom Mond auf uns herab. Und so hat Regisseurin Körte ihrem neuen Theaterstück nach Ilse Aichingers Text "Mondgeschichte" den Titel "Frau im Mond" gegeben, mit dem Zusatz "und andere Liebhaber". Um Liebe und Liebhaber geht es in allen vier Stücken des Stücks. Körte hat vier Texte von Schriftstellerinnen, neben Aichinger Ingeborg Bachmann, Karen Duve und Christa Reinig, als Vorlage genommen und aus jedem einzelnen einen je eigenen Minireigen von Szenen gemacht. Daraus ist kein hochgestochenes Literaturtheater geworden geworden, vielmehr ein freches Gesamtkunstwerk aus Schauspielerei, Tanz, Musik, Film und Objekten der bildenden Kunst. Letztere hat wie immer der Mann im Zweierteam des "Ensemble 9. November", der Künstler Fiebig geschaffen.

Wer kann schon von sich behaupten, einen eigenen Theaterstil entwickelt zu haben ? Körte darf es, das Kunststück ist ihr im Laufe der Jahre gelungen. und dies mit ganz geringen finanziellen Mitteln der städtischen "institutionellen Förderung", aber mit umso mehr Phantasie. Dieses Mal sogar besonders gut.

"Frau im Mond" ist Farce, skurrile Komödie, schwarzes Theater, Comedy, Slapstick - aber nie Klamotte. Die rechte Mischung gegen den Trübsinn in diesen Zeiten. Hier werden mit Farbe und Tönen Verrücktheiten der Liebessehnsüchte ironisiert. Aus Bachmann Traum- und Schmerzensmann Hans, dem die Schriftstellerin mit allen Gefühlsempfindungen von Zärtlichkeit bis Verachtung begegnet, wird das "Hänschen klein" , getrillert und gesungen in drei Versionen; aus Karen Duves Hunde-Besucher ein magerer Wolf mit philosophischer Ader und außerdem ein bezaubernd hundischer Zwei-Minuten-Film von der Studentin Tanja Herzen; aus Christa Reinigs kluger Else, ihrem Katerlieschen und der Gänsemagd eine Emanzen- Rockband- während ihre potentiellen Liebhaber, drei Soldaten, zum Kampfruf "Jesus, meine Zuversicht, Erdbeertorte gibt es nicht " Liegestütze üben. Nicht zu vergessen die Musik von Martin Lejeune, sie ist wie cremige Sahne über dem nicht vorhandenen Erdbeerkuchen.


Frauen, Pferde und Gießkannen
Frankfurter Rundschau
Stefan Michalzik


Sein oder Nichtsein, das ist hier die Hundefrage. Ein solcher Satz, er stammt aus Karen Duves Erzählung "Besuch vom Hund", ist in seiner einen Fantasieraum öffnenden Dimension wie geschrieben für Helen Körte, Gründerin und Regisseurin des Frankfurter Ensembles 9. November. Körte, die ihre Stoffe seit jeher, lange bevor es auf dem Theater zur Zeiterscheinung geworden ist, aus literarischen Vorlagen bezieht, bringt in ihrer neuen, am Gallus-Theater herausgekommenen Arbeit "Frau im Mond und andere Liebhaber" Erzählungen deutschsprachiger Autorinnen zusammen, die von den Verhältnissen zwischen Männern und Frauen handeln.

In "Undine geht" aus Ingeborg Bachmanns 1961 erschienenem ersten Prosaband "Das dreißigste Jahr" scheint Elfriede Jelinek schon vorweggenommen. Im Angesicht des Suizids wird Klage geführt gegen die "Ungeheuer mit Namen Hans", eine Phalanx von "Monstren", die im Gestus schnöder Selbstverständlichkeit Frauen funktionalisieren. Filmbilder von Wildpferden, Metapher für Freiheit, eröffnen die Szene, derweil das Stampfen der drei Darstellerinnen von eng gezogenen Grenzen zeugt. Auch von denen emotionalen Verfangenseins.

Begonnen hat der Abend mit der "Mondgeschichte" Ilse Aichingers, die eine Misswahl bis ins Universum ausgreifen lässt. Auf dem Mond, in einer Begegnung mit Shakespeares Ophelia, findet die Schönheitskönigin ihre Meisterin. Eine Trias mit Gießkannen gekrönter Prinzessinnen tritt auf, unter Klängen des glorios agil musizierenden Jazztrios um den Gitarristen Martin Lejeune.

Am Ende, in "Kluge Else, Katherlieschen und Gänsemagd" von Christa Reinig, treffen drei Frauen aus den Grimmschen Märchen, die den Unbilden des gesellschaftlich zugeschriebenen Frauseins entkommen wollen, auf einen soldatischen Dreiertrupp: Ein Offizier schleift zwei Rekruten. Ein grotesk überzeichnetes Bild von Männlichkeit.

Ist es ein Abend, geschöpft aus dem Geiste feministischer Weltsicht? Kann man so sehen. Doch egal, welche im Kern auch noch so "harten" Themen sich Helen Körte anverwandelt, am Ende steht immer ein Theatermärchen von schierer Freundlichkeit. Das Theater, ein Fest. Ein revuehaftes Spektakel. Mit wild wuchernden, gleichwohl in ihrer Handschrift wohlbekannten Fantastereien und mit kongenialen Objekten von Wilfried Fiebig. Eine Welt der schönen, sich selbst genügenden Bilder. Sein oder Nichtsein, das ist hier die Hundefrage.


Frankfurter neue Presse, 14.03.2009
Die Erde will Miss Universum sein


Helen Körte vom «Ensemble 9. November» inszenierte im Gallus-Theater Frankfurt «Frau im Mond und andere Liebhaber».

Eben meint man noch, dass sich das von Martin Lejeune und Mini-Band begleitete Stück Musiktheater, ein intarsienhaftes Gesamtkleinkunstwerk aus intelligenten Bildeinfällen (Bühne, Objekte: Wilfried Fiebig) und kauzig-kaleidoskopischen Elementen, die ihre Figuren in lyrischen Teil-Plots, Tanz, Gesang und Dialogen mehr malen als plastisch machen, ein wenig hinzieht. Aber, oh Wunder, da ist «Frau im Mond» schon zu Ende – hat statt geschätzter 50 Minuten fast zwei Stunden gedauert. Kurzweil-Theater als subjektive Zeitmaschine: eine Vorstellung, die sich mit Körtes surreal-absurd-abstrakter Bühnenwelt gut vereinbart.

Was passiert? Miss Erde möchte auch Miss Universum sein und reist zur Kür auf den Mond, wo sie die ungleich schönere Ophelia vorfindet: Alles nur ein Traum (Ilse Aichinger, «Mondgeschichte»)? Undine, Wasserwesen wie Ophelia und Ur-Frau, leidet unter der Missachtung ihres Ur-Mannes Hans alias Hänschen klein (Ingeborg Bachmann: «Undine»). Ein Hund bricht in die Party der Dichterin ein und stellt die Ordnung der Dinge auf den Kopf (Karen Duve: «Besuch vom Hund»). Viertens Christa Reinigs «Kluge Else, Katerlieschen und Gänsemagd als Bremer Stadtmusikanten»: Frauen aller Märchen, vereinigt euch – streift eure Frauenrollen ab, lasst die Machos zurück und sucht die Freiheit! Als Feministin fiel Helen Körte bislang nicht auf. Diesmal taucht sie gezielt ins Erzählen von Vorzeige-Autorinnen ein, konzentriert sich auf weibliche Figuren und ihre weiblichen Welt-Geschichten. Identifiziert sie die Undines in Bild 2 mit einer rasenden Herde Wildpferde oder stellt sie ihre Frauen auf den Catwalk, fällt freilich auf, dass das Feministische unaggressiv bleibt. Die Assoziationen gehen eher zur Pferdeliebe pubertierender Mädchen, die sie auf Männerliebe vorbereitet, als zum Kastrationsmesser. Männer werden von außen gesehen, doch schwingt in Körtes Blick auf deren kleine Lächerlichkeiten ein ironisch-sympathisierender Grundton mit. Ein hübsches Spiel, das gerade auch musikalisch gefällt.dek