englishE9N - ENSEMBLE 9. NOVEMBER

ERÖFFNUNG:
Freitag, 19. Oktober 2018

30 Jahre E9N
Highlights aus 30 Jahren
Ensemble 9. November

JUBILÄUMSFESTIVAL



Alle Aufführungen:
JUBILÄUMSFESTIVAL
Freitag, 19. Oktober 2018, 20 Uhr
Samstag, 20. Oktober 2018 ,20 Uhr

Szenen eines Kulturvolkes
Mittwoch 24. Oktober 2018, 20 Uhr
Freitag 26. Oktober 2018, 20 Uhr
Samstag 27. Oktober 2018, 20 Uhr
Sonntag 28. Oktober 2018, 18 Uhr
Gastspiel in der Stadthalle Oberursel:
Montag 12. November 2018, 19:30

Gallus Theater
Tel. Reservierungen
069 75 80 60 20
Kleyerstraße 15
60326 Frankfurt
http://www.gallustheater.de




Fotos:
Sabine Lippert




Zum 30jährigen gibt es
ein Fest der Künste


Gallus Theater: Das E9N macht einen Strauß auf
und zeigt noch viermal »Szenen eines Kulturvolks«



So vielfältig und einzig sich die Frankfurter Theaterszene auch selbstgefällig nennen mag, das Prädikat eines Unikats können sich nur ganz wenige ans Revers heften. Mehr noch als das WillyPraml-Theater, das vielen da ad hoc einfallen mag, kann sich so das vor allem ästhetisch als Antipode zu verortende Ensemble 9. November schmücken. Seine künstlerischen Leiter, die einstige Literaturdozentin Helen Körte und der Philosoph, Dozent und bildende Künstler Wilfried Fiebig, haben ein einzigartiges Format entwickelt, das die verschiedensten Künste in einer zirzensischen Pracht zu vereinen weiß. Solche Feste der Sinne, auch des Intellekts, die sich meist auf literarische Vorlagen beziehen, gibt es sonst nirgendwo.
Drei Termine sollten sich die E9NFans wie auch alle, die es werden wollen, für den Oktober reservieren:
Für die beiden eigenständigen Highlights-Abende den 19. u. 20. sowie einen der vier Termine (siehe unten) von »Szenen eines Kulturvolks«. Gezeigt wird im ersten Teil ein Programm, das sich über beide Abende erstreckt und in zweimal sechs Szenen das weite Spektrum der bisherigen Arbeiten des Künstlerduos mit mancher Neuerung und einigem noch nie Gezeigtem ahnen und schillern lässt. – Zauber inklusive: von Margaret Atwoods »Gute Knochen« über Laurent Quintreaus »Tanz der Heuschrecken« bis zu Federico Fellinis »La strada« und Garcia Lorcas »Bluthochzeit«. Dass das Scharen von Frankfurter Schauspielern und Schauspielerinnen zusammen kommen, die man lange nicht sah, versteht sich. Insgesamt hat das Ensemble 9. November seit seiner Gründung dreißig choreografierte Musiktheaterstücke kreiert. Der zweite Block des Jubiläumsmonats gilt jenem so ganz anders gestalteten Stück, das am Anfang des Ensembles steht und diesem anlässlich der Gedenkfeiern zum 50. Jahrestag der Pogromnacht am 9. November 1989 zu seinem Namen verhalf: Das als Oratorium konzipierte »Szenen eines Kulturvolks«. Die mit acht Darstellerinnen, neun Musikerinnen und einer Mezzosopranistin bestrittene Arbeit basiert auf Fanja Fénelons autobiografischem Buch »Das Mädchenorchester von Auschwitz« und machte das E9N schlagartig und über die deutschen Grenzen hinaus bekannt. Weil sie immer wieder darauf angesprochen und darum gebeten werden, nehmen Fiebig und Körte das bisher schon rund sechzigmal aufgeführte aufwendige Stück wieder auf. Aber auch, weil es ein passendes Stück zu den jüngsten Entwicklungen in der Bundesrepublik ist.

( STRANDGUT 481-18-10 s Oktober 2018 - Winnie Geipert )

Termine »Highlights«:
19., 20 Oktober, 20 Uhr
Termine »Szenen«:
24., 26., 27. Oktober, 20 Uhr;
28. Oktober, 18 Uhr


Eröffnung: David Dilmaghani ( Leiter des Dezernats- büros Kultur & Wissenschaft, Stadt Frankfurt am Main )
Dr. Ruth Fühner ( hr 2 - Kultur )

Im Anschluß unterschiedliche Highlights aus unserem Repertoire: Darstellendes Spiel, Musik, Gesang, Choreographie, Film, Bildende Kunst.
In Anbetracht der Tatsache, daß das Gallus Theater ein Maximum von 160 Sitzplätzen hat, werden beide Abende voraussichtlich sehr schnell ausverkauft sein.



Wer diese beiden besonderen Abende nicht verpassen möchte, sei dringlichst dazu ermuntert, rechtzeitig zu reservieren! Ehrlich gesagt - verpassen wäre eine Sünde...
„Theater erleben mit allen Sinnen. Das ist so geglückt wie beglückend und ungemein stimmig.“

( Strandgut Kulturmagazin )



Anschließend festliches Buffet am Freitag 19. und Samstag 20. Oktober 2018.


Helen Körte
Dr. Wilfried Fiebig
Leitung Ensemble 9. November“
Regie, Dramaturgie, Inszenierung


Komposition:
Bastian Fiebig, Theodor Köhler,Uwe Kremp, Martin Lejeune, Elvira Plenar

Musik:
Jens Hunstein, Martin Lejeune, Elvira Plenar, Bastian Fiebig,
Theodor Köhler, Christian Diederich, Jürgen Faas,
Stefan Weilmünster, Susanne Riedl-Komppa, Katrin Becht

Gesang:
Bernadette Schäfer, Sophie Wenzel, Monica Ries, Dzuna Kalnina, Ingrid El Siga

Bühne, Objekte, Objektkostüme:
Wilfried Fiebig
Kostüme:
Margarete Berghoff, Wilfried Fiebig

Choreographie:
Helen Körte

Schauspiel:
Claudio Vilardo, Elena Thimmel, Mirjam Baur, Willi Forwick,
Hanna Linde, Ingrid El Sigai, Eric Lenke, Venera Dik,
Dieter Landuris, Annemieke Plößer, Matilda Antinori,
Janine Karthaus, Ruth Klapperich

Licht:
Johannes Schmidt
Film, Projektionen, Grafik:
Jörg Langhorst
Fotos:
Sabine Lippert




Szenen eines Kulturvolkes

Szenisches Oratorium
über das Frauenorchester in Auschwitz

Mittwoch 24. Oktober 2018, 20 Uhr
Freitag 26. Oktober 2018, 20 Uhr
Samstag 27. Oktober 2018, 20 Uhr
Sonntag 28. Oktober 2018, 18 Uhr
im Gallus Theater
Gastspiel in der Stadthalle Oberursel:
Montag 12. November 2018, 20 Uhr

Auf allgemeinen Wunsch zeigen wir, das auch von der Kritik wiederholt ausgezeichnete Szenische Oratorium „Szenen eines Kulturvolkes“.Zur Erinnerung an die Reichspogromnacht fand die Uraufführung des Stücks auf Einladung der Stadt Frankfurt/M am 9. November 1988 statt. Seitdem ist das Stück ein fester Bestandteil unsres Repertoires; aufgeführt von acht Frauen, auf einem 4m x 5m Podest, gegenüber einem elfköpfigen Philharmonischen Orchester und einer Mezzosopranin - ebenfalls auf einem Podest von 4m x 5m.

Der Dichter Erich Fried schrieb zur Dramatisierung des „Ensemble 9. November“ 1988:
„Ihre Dramatisierung des Mädchenorchesters von Auschwitz finde ich nicht nur gut, sondern erschütternd. Ich bin nicht nur bereit, es zu empfehlen, sondern betrachte die Aufführung als kulturelle, kulturgeschichtliche und geschichtliche Notwendigkeit.“

„Auschwitz in den Kulturbetrieb zu transportieren bedeutet ein Wagnis. Helen Körte hat mit ihrem Theaterprojekt gezeigt, daß dies nicht nur möglich, sondern auch notwendig ist. Und nicht nur Künstler sollten sich daran erinnern, daß Kultur vor menschlicher Barbarei niemanden geschützt hat.“
(FNP 1989)

„Die szenische Collage führt ein Model vor, wie heutige Auseinandersetzung mit dem Part der Opfer aussehen kann. Hier entstand eine unglaublich suggestive Stunde Theater, beklemmend und aufrüttelnd in ihrer Wirkung.“
(Leipziger Volkszeitung 1998)

Regie, Dramaturgie, Inszenierung:
Helen Körte
Bühne:
Dr. Wilfried Fiebig

Dirigent, Musikalische Leitung:
Armin Rothermel.
Mezzosopranistin:
Monica Ries

Musik:
Rüdiger Orthmann, Ludwig Lohwasser, Waltraud Müller - Thurgau,
Steff Taibi, Manuel Christ, Gertrud Silbenhorn,
Mareike Oehler, Christian Müller, Ulrike Fröhling

Schauspiel:
Birgit Heuser, Janine Karthaus, Simone Greis,
Venera Dik, Gabi Graf, Dzuna Kalnina,
Ruth Klapperich, Marlene Zimmer

Mit freundlicher Unterstützung:
Kulturamt Stadt Frankfurt am Main
Peter Ustinov Stiftung
Kulturfonds Rhein Main
HfG Offenbach

   

PREMIERE:
Donnerstag, 19. April 2018

DIE UNEINHOLBARKEIT DES VERFOLGTEN
Eine Legende der Literatur - von allen Künsten gejagt

URAUFFÜHRUNG




Alle Aufführungen:
Donnerstag, 19. April 2018, 20 Uhr
Freitag, 20. April 2018, 20 Uhr
Samstag, 21. April 2018 ,20 Uhr
Sonntag, 22 April 2018, 18 Uhr

Donnerstag, 17. Mai 2018, 20 Uhr
Freitag, 18. Mai 2018, 20 Uhr
Samstag, 19. Mai 2018, 20 Uhr
Sonntag, 20. Mai 2018, 18 Uhr

Gallus Theater
Tel. Reservierungen
069 75 80 60 20
Kleyerstraße 15
60326 Frankfurt
http://www.gallustheater.de







Fotos:
Sabine Lippert





Verfolgung ist eine historische Wirklichkeit
- vielfältig und schrecklich auch heute.


Dr. Wilfried Fiebig, Helen Körte

Die Uneinholbarkeit des Verfolgten ist real, eine Tatsache. Ihre Logik ist dialektisch. Ihre Ästhetik, alle Künste, umfassend: Film, Literatur, Malerei, Design, Technik, Musik, Oper, Ballett, ff., haben mit dem "Ewigen Juden" seit der Neuzeit einen, für die "literarische Phantastik" wieder und wieder kehrenden, vom Tod nicht eingeholten, Verfolgten. Bei aller Kunst ist er doch, in seinem Ursprung, ein Produkt religiöser Phantasie.
Nicht nur schlüpft er in wechselnde Personen, wechselnde Welten, wechselnde Zeiten, erfüllt so literarisch wechselnde Erzählungswirklichkeiten.
Für das E9N bildet dieser Gegenstand eine besondere Herausforderung und Motivation, darauf poetisch, inhaltlich und ästhetisch, mit einem Gesamtkunstwerk zu antworten.

Alle Widersprüche erspielen sich in einem Verhältnis dreier Personen, die die Katastrophen der Natur mit Katastrophen gegenseitiger Verfolgung beantworten. "Die Eingeschlossenen" von Jean Paul Sartre, erinnern mit seinem Schema daran.

Während sich je zwei gegen je einen abwechselnd zusammentun, bilden diese zwei für kurz ein Liebesbündnis, das Versprechen eines Friedens aus Blüten, Apfelbäumen, zeitlos wiederkehrendem Grün, der Freundlichkeit von Goethes Harfner und der kindlichen Naivität Mignons, dem Liebesversprechen weiblicher Unschuld aus und in kolonialer Ferne Indiens, dem Trost des Phönix, der sich verbrennend, verjüngt wieder aufersteht, der Verfolgte ein Grün, das, nur aus blau und gelb zusammensetzt, wirklich ist; ein Verfolgter, dessen Gestalt sich auflöst und als Schwarm davonfliegender Bienen erscheint, die schließlich der Imker, mit ihrer Königin, wieder einfängt, und Eva, Eva, am Ende und Anfang immer wieder Eva, Glück und Unglück Adams ff. Dazwischen wiederholt Stürme der Natur, zynisches Lachen des verfolgenden Verfolgten, Verhöre der Heiligen Inquisition, ein Fremder, Fremder...

Was nicht gesagt werden kann, erzählen: Musik (Geige, Piano, Gesang, Trommeln, Einspielungen), Bilder, Choreographien des darstellenden Spiels, Licht, eine Welt der Objekte und Objektkostüme.

Literatur: "Die Uneinholbarkeit des Verfolgten. Der Ewige Jude in der literarischen Phantastik" Mona Körte, 2000 Campus Verlag, Frankfurt/New York.

INSZENIERUNG, DRAMATURGIE
OBJEKTE, BÜHNE

Dr. Wilfried Fiebig

SZENISCHE ARBEIT
Helen Körte

KOMPOSITION / PIANO
Theodor Köhler

VIOLINE
Katrin Becht

GESANG
Bernadette Schäfer (Sopran)
Sophie Wenzel (Mezzosopran)

SCHAUSPIEL
Venerija Dik
Sebastian Huther
Damaso Mendez

LICHT
Johannes Schmidt

GRAFIK
Joerg Langhorst

Mit freundlicher Unterstützung:
Kulturamt Stadt Frankfurt am Main
HfG Offenbach

PRESSESPIEGEL

Frankfurter Allgemeine Zeitung vom 23.04.2018:

„Die Uneinholbarkeit des Verfolgten“
von Wilfried Fiebig und Helen Körte im Frankfurter Gallus-Theater

Der elegische Ton ist angebracht, wenn es um die Ewigkeit geht und alles Endliche einem wie leerer Tand vorkommt. Und er scheint der Romantik angemessen, die in der Inszenierung mit dem sperrigen Titel „Die Uneinholbarkeit des Verfolgten“ vor allem musikalisch zitiert wird, aber auch immer wieder in poetischen Bildern zum Vorschein kommt. Dass mit den Liedern aus Goethes „Wilhelm Meister“ ausgerechnet solche Passagen aus dem Werk des Dichters vorgetragen werden, die gemeinhin als Reminiszenzen an romantische Motive gelten, scheint da kein Zufall zu sein. Und auch nicht, dass das Thema dieses kurzen Abends eines ist, das in der Romantik auf besonderes Interesse stieß und etwa auch von Heinrich Heine behandelt wurde. Der Ewige Jude, der rastlos durch die Zeiten irrt, ohne je zur Ruhe zu kommen, hat die Autoren jener Zeit fasziniert, eine literarische Legende, die Wagner in seinem „Fliegenden Holländer“ aufgegriffen hat – nur die uneingeschränkte Liebe einer Frau kann ihn erlösen. Der Mythos von Ahasver, der vom Antijudaismus der Kirche geprägt ist, wurde zu einem Märchenstoff, zu einer phantastischen Erzählung, in der sich die Sehnsucht nach der Unendlichkeit ebenso widerspiegelt wie das Entsetzen vor einer end- und haltlosen Existenz.
Wilfried Fiebig und Helen Körte haben im Frankfurter Gallus-Theater die Figur als eine, die in der literarischen Phantastik herumspukt, auf die Bühne gebracht, zeigen ihn aber auch explizit als Verfolgten, der doch immer wieder entkommt, weil er verdammt ist zum ewigen Leben. Ahasver wird so auch zum Symbol all derer, die Verfolgung erleiden. Desgleichen freilich zu einem gleichsam überirdischen Helden, gegen den keine weltliche Macht etwas ausrichten kann. So lässt sich die heitere Note erklären, die in diesem Stück die elegisch-romantischen Grundhaltung gelegentlich auflockert. Die Vielzahl der visuellen Ideen ist frappierend. Das beginnt mit zerfetzten Segeln, Nürnberger Spielzeug tritt zutage, der Vogel Phönix mit rot-goldenem Gefieder, und wenn man denkt, ein Taucher komme mit einem Goldschatz daher, erfährt man: Es ist ein Imker mit seinen Bienen. Für einen kurzen Augenblick nur tritt der Darsteller in einem grotesk- poetischen Objekt-Kostüm vor die Zuschauer.
Und so geht es fort und fort: Aufwendige skulpturale Kunst am Körper oder auf dem Boden oder an der Decke, geschaffen von Fiebig, dem Künstler- Philosophen, der auch die Texte entwickelte, fügen sich zu szenischen Tableaux von großem Zauber. Die Kompositionen stammen bis auf eine Schostakowitsch- Einpielung, die zu Beginn vom Band läuft, von Theodor Köhler, der die Aufführungen am Piano begleitet. Katrin Becht unterstützt ihn an der Violine. Die Sopranistin Bernadette Schäfer und die Mezzosopranistin Sophie Wenzel sorgen für musikalische Momente von ungemeiner Schönheit. Als Schauspieler agieren Venerija Dik, Sebastian Huther und Damaso Mendez. Rollen im traditionellen Sinn darf man nicht erwarten, es kommt darauf an, die Assoziationen wirken zu lassen und sich der Kombination aus Text, Bildern und Musik hinzugeben. Dann erlebt man ein sehr besonderes Theaterglück.
MICHAEL HIERHOLZER


Frankfurter Rundschau vom 21.04.2018:

Magie der Dinge

Das Ensemble 9. November beschäftigt sich mit Ein- und Ausschluss.
Von Bernhard Uske

Die Rolle des Verfolgten, des Verstoßenen als kulturelles Paradigma: ein Dynamo von Ein- und Ausschluss. Ein Thema, dem man sich tunlichst mehrdeutig nähern sollte, denn der „homo sacer“ ist der Stigmatisierte und Charismatische zugleich, der zudem noch seine Position zu wechseln vermag. Ein heikles Thema und damit genau eines für das Ensemble 9. November, wo Dialektik, der Durchgang durch Widersprüche, immer realisierbar ist. Konzepten, die von Wilfried Fiebig und Helen Körte zu vielperspektivischer Theatralik gebracht werden. Mensch-Objekt-Konstellationen in offenen dramatischen Verläufen sind das Markenzeichen dieser jetzt seit 30 Jahren aktiven Truppe, die Bildende Kunst, Design, Licht, Choreografie, Musik und Theater zu eigensinnigen Synthesen führt. Der zeitgenössische, gesamtkunstwerkliche Habitus verdankt sich besonders den Objekten Fiebigs. Als Raum bildende Skulpturen, als Kostüm-Rüstungen, als archetypische Zeichen ergeben sie eine eigenartige Ding-Magie, die oft mehr als Worte Ausdruck zu schaffen vermag. Das gilt auch für „Die Uneinholbarkeit des Verfolgten“, die neueste Produktion von E9N, die im Gallus-Theater Premiere hatte.
Drei Schauspieler (Venerija Dik, Sebastian Huther, Damaso Mendez), zwei Sängerinnen (Bernadette Schäfer, Sophie Wenzel), eine Geigeri, ein Pianist, die einen Parcours ausschreiten, singen und spielen, der das Thema in vielen Stationen anspielt. Die männlichen Stimmen nicht immer gut verständlich, anmutig und behend die Schauspielerin. Von einer collagierten Einspielung aus Dmitrij Schostakowitschs 7. Sinfonie abgesehen, stammt die Musik, auch der gesungenen Beiträge (vor allem die Lieder der Mignon), von Theodor Köhler, der der Pianist des Abends ist. Eine strenge, reduzierte Tonalität, bei der einem die Bezeichnung eines lockeren Arvo- Pärtialismus in den Sinn kommen konnte. Die Führung der Geigenstimme (mit schönem, klaren Ton Karin Becht) passt dazu bestens. Die beiden jungen Sängerinnen haben schöne, warme, mit feinem Vibrato ausgestattete Stimmen. In der grundlegend gedeckten, oft dunklen Atmosphäre des Stücks stellen sie das mildernde, auflichtende Moment dar. Ihr Auftritt gestaltete sich in einer Art üppigen Bauchladen-Korsettage: Gebrauchsmaterialien-Rokoko. Wie überhaupt das Fiebigsche Material- und Objektgestaltungsverständnis den Eindruck eines zersetzten und neu formierten industrie - ästhetischen Barock macht. Die Konstellation von Schauspielern und Objekten im Verein mit den Sängerinnen waren das Zwingendste des gut einstündigen Stücks, wo nur eine unnötige Pause störte. Ist es Zufall, dass gegenwärtig im Foyer des Gallus-Theaters ein großer Bilderzyklus von Kai Teichert, „Licht + Luftbad“ (2018), gezeigt wird? Ein glänzender Kontrapunkt:
dort die Konzentration der in Spannung und Dichte in Objekten gefangenen Körper; hier ein zeitgenössisches Arkadien fast klassizistischer Harmonie nackter Leiber.


Frankfurt Neue Presse vom 21.04.2018:

Der "Ewige Jude" läuft durch die Geschichten

Das Ensemble 9. November zeigt die Collage "Die Uneinholbarkeit des Verfolgten" im Frankfurter Gallus-Theater.

Der "Ewige Jude" wandelt nicht nur seit Jahrhunderten der Sage nach durch die Welt. Ahasver, wie er hierzulande gerne genannt wird, taucht auch in künstlerischen Werken verschiedenster Gattungen auf.
Das Ensemble 9. November hat sich nun des Sujets angenommen und zeigt im Frankfurter Gallus-Theater unter dem Titel "Die Uneinholbarkeit des Verfolgten" eine Collage aus Schauspiel, Livemusik und Performance, die sich zahlreicher literarischer Zitate bedient.
Der Legende nach hat ein Mann unbekannter Herkunft, später gerne als jüdischer Schuhmacher identifiziert, Jesus Christus auf dessen Weg zur Kreuzigung verspottet und ihm die Rast vor der eigenen Haustür verwehrt. In manchen Versionen der Geschichte soll dieser Fremde es sogar gewesen sein, der das Volk dazu anstachelte, die Hinrichtung zu fordern. Der Gottessohn soll dem Unbarmherzigen im Gegenzug den Fluch auferlegt haben, als Wanderer für immer auf der Erde herumzuirren und nie vom Tod eingeholt zu werden.
Die drei Schauspieler Venerija Dik, Sebastian Huther und Damaso Mendez widmen sich unter der Regie von Wilfried Fiebig, unterstützt von Helen Körte, in oft ineinanderfließenden Szenen den mit der Figur verbundenen Themen wie Ausgrenzung, Verfolgung, Geißelung und Inquisition. Sie lehnen sich dabei in karikierenden Kostümen an mal mehr, mal weniger bekannte Vorlagen an, die nicht alle so leicht herauszufiltern sind wie "Wilhelm Meisters Lehrjahre". Zwei Sängerinnen, Bernadette Schäfer und Sophie Wenzel, von Johannes Schmidt in Lichtkreise getaucht, stellen Goethes berühmte Frage nach dem Land, wo die Zitrone blühen, auf musikalische Weise, begleitet von Pianist und Komponist Theodor Köhler und der Violinistin Katrin Becht.
Drei Personen sind perfekt dafür geeignet, dass sich immer eine außen vor fühlt. Mittels bisweilen poetischer, drastischer oder auch ins Lächerliche ziehender Bilder wie dem eines Imkers, der sein entwischtes güldenes Bienenvolk samt monumentaler Königin wieder eingefangen hat, entfaltet sich über nur wenig mehr als eine Stunde ein fantasievolles Puzzle. Das trotz aller Kreativität die Ernsthaftigkeit und Aktualität im Hintergrund aber nicht überdeckt.
VON KATJA STURM