englishE9N - ENSEMBLE 9. NOVEMBER

PREMIERE:
12. November 2008


Weitere Aufführungen
Do. 13. Nov. 20.00 Uhr
Fr. 14. Nov. 20.00 Uhr
Sa. 15. Nov. 20.00 Uhr
So. 16. Nov. 20.00 Uhr

Schülervorstellungen:
Do. 13. Nov. 11.00 Uhr
Mo. 17. Nov. 11.00 Uhr
(Nur mit Voranmeldung)

Gallus Theater
Tel. Reservierungen
069 75 80 60 20
Kleyerstraße 15
60326 Frankfurt
http://www.gallustheater.de



Fotos: Sabine Lippert

"Szenen eines Kulturvolkes",
über das Frauenorchester im Konzentrationslager Auschwitz. Ein `Szenisches Oratorium für 8 Frauen, 1 Orchester und 1 Mezzosopran.



Am 9. November 1988 brachte das E9N , anläßlich der Gedenkfeier zum 50. Jahrestag der Reichskristallnacht , mit 20 Mitwirkenden seine erste Produktion in Frankfurt/M zur Aufführung. Dieses `Szenische Oratorium´ wurde, nach seiner Premiere, wiederholt in Frankfurt!M , sowie in weiteren Städten Deutschlands (u.A. Dresden, Leipzig, München, Herne, Freiburg) aufgeführt.

Hervorzuheben ist dabei die Aufführung 1989 in Dresden, direkt nach dem Fall der Mauer. Eingeladen, hierzu, wurde das E9N von der `Heinrich Böll - Stiftung´ und begleitet vom ZDF, das sowohl in `ASPEKTE ´als auch in in einem intensiven und umfangreichen Beitrag in 3SAT , über die Aufführung sowie die anschließende leidenschaftlichen Diskussion mit dem vorwiegend jungen Publikum, berichtete.

In Anbetracht der Tatsache, daß "Holocaust" keinen Einzelfall aus der Vergangenheit bezeichnet, vielmehr, wegen seiner Aktualität, immer wieder ins öffentliche Bewußtsein gebracht werden muß, hat sich das E9N entschlossen, anläßlich seines 20 jährigen Bestehens, dieses `Szenische Oratorium´, erneut aufzuführen. Bei dieser 5. Neubesetzung (in 10 Jahren), hat das E9N, auch aus thematischen Gründen, einen besonderen Wert auf eine Zusammenarbeit von professionellen Schauspielerinnen mit Schülerinnen gelegt.

Die Dramatisierung, eine szenische Collage, verfolgt nicht das Ziel, einzelne Schicksale oder Charaktere hervorzuheben. Vielmehr wird das Konzentrationslager als organisatorische Kulturleistung vorgeführt. Zugleich soll, nach Art eines Modells, gezeigt werden, wie Frauen heute sich mit dem Schicksal der damaligen Opfer auseinandersetzen. Sie nähern sich den Opfern, rufen ihre Situation, in Text und einer strengen Choreographie, wach, ohne naturalistische Nachbildung einer Geschichte, die nicht nachahmbar ist. Deshalb findet man hier keine Sträflingskleider, kein gespieltes Elend, keine stiefelstampfende SS. Die Präsens der Täter wird einzig und allein durch die Frauen hergestellt.

Den 8 Frauen gegenüber, so wie diese, ebenfalls auf einem eigenen Podest, spielen ein "Philharmonisches Orchester" sowie eine Sängerin (Mezzosopran) Stücke jener Musik, die das Frauenorchester auf Befehl der SS zu spielen hatte, Stücke aus Klassik, Märsche, Wiener Walzer, Operetten. `Frauen mit einem klaren hohen C dürfen noch einmal überleben, die anderen kommen gleich ins Gas.´

E9N – 20 Jahre
"Ensemble 9. November"

Nach nahezu 30 Uraufführungen in FFM zwischen 1988 und 2008, sowie zahlreichen Gastspielen im In- und Ausland, von Athen bis Moskau, von Krakau bis Sibiu (Hermannstadt) von Jaroslawl bis Posen, von Leipzig, Dresden nach Freiburg und München usw., zeigen wir, das E9N ("Ensemble 9. November"), nun, in Wiederaufnahme, unsere erste Produktion vom 9.November 1988. Diese war und ist bis heute Anlaß für die Namensgebung unseres Theaterensembles.

Es sind die "Szenen eines Kulturvolkes"


DRAMATURGIE UND REGIE: Helen Körte

MUSIKALISCHE LEITUNG: Armin Rothermel

MEZZOSOPRAN: MONICA RIES

BÜHNE: Wilfried Fiebig

SCHAUSPIELERINNEN Ingrid el Sigai | Uta Nawrath | Suzanne Schyns | Raija Siikavirta | Hanna Linde | Martina Römert | Eva Eisenberg | Ilona Molnar

MUSIKER A. Rothermel | L. Aleksandrovic | R. Orthmann | L. Lohwasser | A. Ahrens | H. Mathiesen | S. Taibi | H. Molge | R. Cannas | G. Spitz

Mit freundlicher Unterstützung: Kulturamt Frankfurt am Main, Hessisches Ministerium für Wissenschaft und Kunst, Jugend- und Sozialamt Frankfurt am Main.

PRESSESTIMMEN



14.11.2008 - Offenbacher Post
Eindrücklichkeit entsteht ihm Kopf


Das Ensemble 9. November um die Regisseurin Helen Körte und den Szenenbildner Wilfried Fiebig hat in den zwanzig Jahren seines Bestehens eine Bühnensprache entwickelt, deren überbordende Fülle unverkennbar ist. Viele der beinahe dreißig revueartigen Szenenfolgen aus Musik, Tanz und skulpturalen Elementen gehen auf literarische Vorlagen zurück. „Szenen eines Kulturvolkes“ aus dem Jahre 1988, das zum Jubiläum im Gallus-Theater aufgeführt wird, lässt den die Sparten übergreifenden Ansatz bereits erkennen. Die Schlichtheit der Bilder aber, geschöpft aus einer ungewöhnlichen Formstrenge, erscheint wie zwingend aus dem Motiv heraus entwickelt. Entstanden zum 50. Jahrestag der als „Reichskristallnacht“ in die Geschichte eingegangenen Judenpogrome vom 9. November 1938 handelt das Stück vom Schicksal des Frauenorchesters von Auschwitz. Inmitten des organisierten Massenmordens hatte es auf Geheiß der Lagerleitung täglich einmal für die Gefangenen aufzuspielen, ein weiteres Mal zur Erbauung der SS-Leute. Das Repertoire reichte von Operettenschlagern und Walzern bis zu Werken der Klassik. Ein schwarzes Podium inmitten des dunklen Raums. Auf einem weiteren Podest ist ein kleines Orchester untergebracht. Mehr braucht es nicht als Umfeld für den Auftritt von acht Frauen in schwarzen Kleidern. Schauspielerinnen und Schülerinnen sind es, ein Gefälle unter ihnen wird indes nicht offenbar. Immer wieder ist es der Zirkel, in dem diese Frauen sich bewegen. Angetrieben von einer Dirigentin, die unter der ständigen Bedrohung eine strenge Zucht walten lässt. Collagiert aus dem Roman „Das Mädchenorchester von Auschwitz“ von Fania Fenelon und aus historischen Quellen wird protokollhaft ein Stück Lagerrealität gespiegelt – aber nicht dargestellt. Es sind die Leerstellen, die den Kern ausmachen. Darin liegt ihre Stärke. Die Eindrücklichkeit entsteht in der Vorstellung der Zuschauer. Auch zwanzig Jahre nach seiner Entstehung hat dieser Abend nicht im mindesten Staub angesetzt. (zik)

17.11.2008 - Frankfurter Rundschau
Das Geräusch harter Sohlen

Jamal Tuschick

„Schwarze Milch der Frühe wir trinken sie abends/wir trinken sie mittags und morgens/wir trinken sie nachts“. Celans „Todesfuge“ spielt zu allem, was ich im Frankfurter Gallus Theater gerade sehe. Schön ist die Inszenierung von Helen Körte, schrecklich der historische Schlick, der das – von Wilfried Fiebig eingerichtete – Bühnengeschehen grundiert.

Zuerst vernimmt man nichts außer dem Geräusch harter Sohlen: eine Marschmelodie unter den Bedingungen totaler Verdunklung. In der zunehmenden Aufhellung lässt sich ein weibliches Ensemble mit Schlagwörtern vernehmen. So lautet eine Mantra des Zwangs: „Schuhe, Kopftuch, Kleid, Stern“. Nummern markieren rechtlose Wesen und weisen auf die Effizienz der reichsdeutschen Vernichtungsindustrie in ihrer Hochzeit hin. Wie um der Sache einen perversen Pfiff zu geben, oder vielleicht auch nur, um das Leben einmal noch bei seinen Namen anzurufen, folgt Klatsch den Versachlichkeitsmeldungen im Maschinenhades. In der Diskussion ist auch die französische Mode um das Jahr 1943, als in Auschwitz die Gründung eines Frauenorchesters befohlen wurde.

Die vom Ensemble 9. November zu seinem 20-jährigen Bestehen wieder aufgeführten, sich nicht zuletzt auf ein Buch von Fania Fénelon beziehenden „Szenen eines Kulturvolks“ entsprechen der Entindividualisierung der KZ-Häftlinge, indem sie kaum Biografisches mitteilen. Allein Alma Rosé erscheint als Orchesterchefin, herb verkörpert von Hanna Linde. Der Wille zur Perfektion dieser Gustav-Mahler-Nichte schreit nach unerlaubten Kommentierungen. Ich werde mich hüten, bei mir etwas zu vermuten, das auch nur in die Nähe des Begreifens „der musikalischen Zwangsarbeit“ (Gabriele Knapp) liegen könnte.

Die Musikerinnen werden von Ingrid el Sigai, Susanne Schyns, Raija Siikavirta, Linde, Uta Nawrath, Eva Eisenberg, Ilona Molnar und Martina Römert dargestellt. Mal schwärmen sie in Appellformation von einem gutaussehenden Arzt, mal krümmen sie sich, wie über ihr Schicksal. Ihren größten Feind, den doppelt promovierten Mengele, nennen sie „Selektionsästhet“. Sie haben schon weiter gespielt, während Frauen von Hunden der SS zerrissen wurden.

Die orchestrale Leistung erbringen gesondert platzierte Herren unter Armin Rothermels Leitung. Es singt zudem, ganz wunderbar, Monica Ries, so aus Franz Lehárs „Lustiger Witwe“ „Lippen schweigen, ’s flüstern Geigen flüstern / Hab mich lieb!“ Da liegt der Hase im Pfeffer dieser verpflichtend sehenswerten Deutung der „Kulturleistung“ Auschwitz: zwischen Sentimentalität und Sadismus.

13. November 2008 - Frankfurter Allgemeine Zeitung
Bilder von der Rückseite des Mondes

Hans Riebsamen

Kann Puccini Leben retten? Ja. Die Arien des italienischen Komponisten haben die Mitglieder des Frauenorchesters von Auschwitz vor der Vernichtung durch Arbeit und vor der Gaskammer bewahrt. Kann man Puccini noch unbefangen hören? Nein. Nicht, nachdem man das Theaterstück „Szenen eines Kulturvolkes“ vom Frankfurter „Ensemble 9. November“ gesehen hat. Denn die SS liebte Puccinis Musik. Auch Melodien von Mendelssohn-Bartholdy – die Wachmannschaften merkten nicht, dass das Judenmusik war.

Oder Strauß-Walzer, Hits aus Lehárs „Lustiger Witwe“, Schlager wie „Ich tanze mit dir in den Himmel hinein“. Die SS-Mörder ließen sich von diesen Melodien aufheitern. So, wie Hitler sich von der Musik Richards Wagners erbauen und mitreißen ließ. Wagner ist deshalb vielen verdächtig – obwohl er doch nichts dafür kann, dass Hitler seine Opern gründlich missverstanden hat. Eigentlich müsste nach den Erfahrungen von Auschwitz diesen Leuten auch Puccini verdächtig sein. Oder Schumann und Johann Strauß.

Vor 20 Jahren hat Helen Körte „Szenen eines Kulturvolkes“ uraufgeführt – als ihren Beitrag zu den Gedenkveranstaltungen zum 9. November 1938. Ihr Theaterensemble, das sie zusammen mit Wilfried Fiebig seit 20 Jahren leitet, hat sie nach jenem Datum „Ensemble 9. November“ genannt. Jetzt, im Jubiläumsjahr, hat Körte das Stück wieder auf die Bühne gebracht, im Gallus-Theater. Sie nennt es ein Szenisches Oratorium für acht Frauen, eine Sängerin und ein Orchester. Die acht Frauen sind in dieser Inszenierung keine Individuen, sie verschmelzen vielmehr zu einer anonymen Gruppe, deren Mitglieder wie die Auschwitzhäftlinge keine Namen mehr besitzen, sondern nur noch Nummer sind. Häftlingsnummer. Am Anfang stellen sie sich auf der quadratischen schwarzen Bühne in der Mitte des Theaterraums als Nummern vor, nur in diesem Augenblick, da sie in träumerischer Erinnerung an ihr Leben zuvor von Männern und Mode sprechen, gewinnen sie gewisse individuelle Züge.

Nicht das Frauenorchester von Auschwitz spielt bei diesem Stück jene Musik, die die Mädchen damals ihren Henkern vorspielen mussten. Ein zehnköpfiges Orchester unter Armin Rothermel intoniert die Melodien von Puccini oder Strauß. Und die fabelhafte Monica Ries tanzt mit ihrem Gesang in den siebten Himmel oder erträumt ihn sich wie Puccinis „Madame Butterfly“.

Das Stück ist aufgebaut wie eine Komposition für Sprache und Bewegung, die acht Schauspielerinnen kommentieren die Geschehnisse im Lager wie ein antiker Chor. Gerade diese emotionale Distanzierung lässt den Zuschauer die grausame Dramatik besser verstehen als eine einfühlend-realistische Darstellung es leisten könnte. „Szenen eines Kulturvolkes“ war die erste Arbeit Körtes in Frankfurt – und eine ihrer besten. Kann solches Theater einen neuen Holocaust verhindern? Nein. Wie sollte Theater so etwas können. Aber es kann uns in diesem Stück eine Ahnung geben von der grauenhaften Welt der Lager, die unser Blick nur wahrnehmen kann wie die Rückseite des Mondes – über Medien.

14.11.2008 - Neue Presse
Das Böse in der Hochkultur

Marcus Hladek

Das «Ensemble 9. November» beging mit «Szenen eines Kulturvolkes» im Gallus-Theater Frankfurt sein 20-jähriges Bestehen.

Wie banal das Böse sein kann, weiß man seit Hannah Arendts Bericht über den Organisator des Judenmords: «Eichmann in Jerusalem». Dass Unmenschlichkeit mitunter hochkultiviert auftritt, lehrten die Passagen Curzio Malapartes über Hans Frank, den Generalgouverneur im besetzten Polen und exzellenten Pianisten, in «Kaputt». Eine einmalige Kombination des banalen Bösen in Hochkultur fand beides, als die Nazi-Granden die perverse Idee hatten, im Vernichtungslager Auschwitz-Birkenau ein hochklassiges Frauenorchester einzurichten. Von diesen Insassinnen, die um ihr Leben spielten und den Hass der übrigen Häftlinge auf sich zogen, handeln Helen Körtes «Szenen», die bei der Premiere und erneut 1989 in Dresden nach dem Mauerfall viele Bewunderer fanden und jetzt im Gallus-Theater wiederaufgenommen wurden.

Die Inszenierung erinnert in ihrem dokumentarischen Ansatz, zudem in ihrer strengen Handhabung von Sprache und Bewegung, deren sich acht Frauen in Zeitmode auf einem quadratischen Podest zwischen den Zuschauern befleißigen, an Peter Weiss’ Prozess-Stück «Die Ermittlung» sowie die Chöre und Einzelvers-Dialoge des altgriechischen Tragikers Aischylos. Ihre emotionale und erkenntnismotivierte Intensität ähnelt George Taboris «Jubiläum», einem quasi-kultischen Stück toter Juden als Kommunion mit den Lebenden auf ihrem Friedhof.

Ein Wunder, dass die klassische Musik, hier wunderbar dargeboten von Monica Ries (Mezzosopran) und einem Kammerorchester unter Armin Rothermel, ihren perversen Missbrauch, die systematische Befleckung durch SS-Schergen überhaupt überlebt hat.

 

AUSSTELLUNG


Dr. Wilfried Fiebig

24.11.2008 bis 9.01.2009 Mo.–Fr. 10.00–16.00 Uhr



Foto: Sabine Lippert

THEATER+KUNST
KUNST+THEATER


Kunstoffensive Goethestraße 10

60313 Frankfurt am Main

TEL +49 (0)69 21 08 73-111
FAX +49 (0)69 21 08 73-299


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Premiere: 29. Mai 2008


Weitere Aufführungen:
Fr. 30. Mai 2008
Sa. 31. Mai 2008
So. 01. Juni 2008
Do. 21. August 2008
Fr. 22. August 2008
Sa. 23. August 2008
So. 24. August 2008
Mi. 27. August 2008


Goethes Geburtstag, Derniere
Do. 28. August 2008


jeweils 20:00 Uhr



Fotos: Sabine Lippert

Aus dem Leben einer Farbe

Musiktheater, verweht von den 4 Farbwinden eines Saxophonquartetts (Uraufführung)



"Aus dem Leben einer Farbe" ist eine Farberzählung, ein Farbspiel unterwegs mit Klangfarben, eine Erlebnisreise der Farbe, von `schöner Kunst´zu `schöner Kunst´, wobei es nicht wenig zu denken gibt. Denn Farbe sagt kein Wort, sie zeigt sich nur. Aber `was´sich da zeigt, muß sich doch sagen lassen, hat doch einen Namen. Aber wenn nun Farbe kein `Was´ ist ? Was ist dann ? Es zeigt sich, daß der Schein seine `Leichtigkeit verliert, sobald man über ihn nachdenkt. Das E9N hat nachgedacht. Weil es aber nicht will, daß uns `hören´ und `sehen´ dabei verloren gehen, spielt es in einem Gesamtkunstwerk Schein und Scheinloses ineinander; läßt Farbe `leben´, macht sie erlebbar in Farben, komponierten Klängen, choreographierten Handlungen ,nahegelegten Gedanken , erinnerten Erlebnissen, Erzählungen, und nicht zuletzt in den Mehrdeutigkeiten von Sprache selbst. Aber, wie gesagt: Farbe spricht nicht, sie zeigt sich nur; so vermag sie weder die Wahrheit zu sagen noch zu lügen. Und was wird über sie gesagt ? Es wird erzählt , daß dort, wo Farbe als Regenbogen die Erde berührt, ein großer Schatz vergraben liegt. Doch Farbe ist haltlos wie das Lachen. Kein Wunder daher, daß bislang noch niemand den Schatz gefunden hat, daß Philosophie und Wissenschaft, anders als die Maler und Dichter, sich für Farbe nur wenig erwärmen können, ist sie doch unzuverlässig, ein `Aposteriori´. Auf ihr, wie auf einer Bananenschale, rutscht aus, wer, wie Charlie Chaplin, oder Goethe, unbeirrt und geradeaus ein klares, z.B. wissenschaftliches, Farbziel verfolgt. Immerhin ein `slapstick´. Denn Farbe sagt kein Wort, sie zeigt sich nur.


REGIE, DRAMATURGIE
Wilfried Fiebig

KOMPOSITION UND MUSIKALISCHE LEITUNG
Bastian Fiebig

VARIETESPIEL (REGIE)
Helen Körte

SCHAUSPIELER/INNEN
Raija Siikavirta, Christian Lehmann-Carrasco

MUSIKER/INNEN „VIERFARBEN-SAXOPHON“
Jürgen Faas (Bariton), Bastian Fiebig (Alt), Susanne Riedl (Tenor), Stefan Weilmünster (Sopran)

SPECIAL GUEST
Max Dreier (Violine)

GESANG
Gabrielle Zimmermann (Mezzosopran)

BÜHNE/OBJEKTE/KOSTÜME
Wilfried Fiebig


Mit freundlicher Unterstützung des Kulturamts Frankfurt am Main

PRESSESTIMMEN



Farbensehen
Das Ensemble 9. November im Gallus-Theater Bunt geht es zu in Fiebigs Welt..Bunt, wenn man Schwarz und Weiß auch zu den originären Bewohnern der farbigen Welt zählt . Die Spektralfarben aus dem Weiß und viele ihrer Hybridfarben geisterten als fröhliche Gespenster schon immer im Kopf dieses Künstlers herum, jetzt hat er sie losgelassen, jetzt spuken sie unbändig auf der Bühne des kleinen Theaters herum. Folgerichtig heißt das von Fiebigs "Ensemble 9. November " gegebene Stück "Aus dem Leben einer Farbe". Farbig sind die Kostüme der beiden Schauspieler Raija Siikavirta und Christian Lehmann-Carrasco, die manchmal wie Kobolde durchs Theater tanzen. Bunt wie Pfauenschwänze sind die Installationen, in die Fiebig wie immer all seinen Ehrgeiz gelegt hat. Schillernd in allen Lichtschattierungen sind die Gedichte und poetischen Sätze, welche die Schauspieler von sich geben. In ihrer Summe fügen sie sich zu einer handlungslosen, poetisch-fragilen Komposition, die von vier Farbwinden eines Saxophonquartetts immer wieder verweht wird.

Bastian Fiebig hat eine hinreißende Musik komponiert, sein Altsaxophon harmoniert großartig mit den Saxophonen von Jürgen Faas (Bariton), Susanne Riedl (Tenor) und Stefan Weilmünster (Sopran). Dazu umgarnt Gabrielle Zimmermann mit ihrer Betörenden Mezzosopran-Stimme das Hörzentrum in den Gehirnen der Zuschauer. "Aus dem Leben einer Farbe" würde wohl auch als reine Konzertveranstaltung funktionieren, Jetzt ist eine musikalische Performance daraus geworden. Zirzensischer Schwung kommt schließlich im letzten Drittel in das Stück, man merkt. daß hier Helen Körte die Regie in die Hand genommen hat. Auf einmal spürt der Zuschauer die Leichtigkeit und den Witz des Varietes, Farben können sprechen, aber sie können keine Worte sagen. Das ist das Manko dieses Theaterstücks, das ein kleines Gesamtkunstwerk darstellt, weil es bildende Kunst, Tanz, Musik, Sprechen und darstellendes Spiel zusammenfügt. Fiebig läßt viel sagen, doch am besten sprechen die Klangfarben der Saxophone, die skurrilen Formen der Kostüme und Utensilien - und die Farben, weil sie sich einfach nur zeigen.
HANS RIEBSAMEN (Frankfurter Allgemein- same Zeitung, 4.6.08 )

Ein Rot ist ein Rot ist ein Rot
Das Ensemble 9. November erzählt unter Anderem " Aus dem Leben einer Farbe " Es gibt keinen Anlaß, die Kindheit zu glorifizieren. Das Verschwinden des Wasserfarbkastens aber aus dem Arsenal der täglichen Umgebung spricht nicht für das Erwachsendasein.
Die Erinnerung daran kehrt nun zurück - und womöglich mehr noch die Erinnerung daran, wie weit das entrückt ist - in der neuen Produktion des Ensemble 9. November im Frankfurter Gallus-Theater. "Aus dem Leben einer Farbe" läßt in einer von tausend possierlichen Szenen auch einen Malkasten zu Worte kommen. Rote Rosen kann man mit ihm malen, aber dann soll das Rot die Liebe sein, und die Liebe ein Duft. Und während alles etwas anderes wird, als es eigentlich ist, gerät der Malkasten. in dem die Farben einfach Farben sind, in Vergessenheit. Ein melancholisch stimmendes Resultat.
Etwas ulkig ist, daß gleichzeitig auch "Aus dem Leben einer Farbe" ständig darüber nachdenken läßt, um was es hier geht und was das zu bedeuten hat. Dabei wollen Wilfried Fiebig (Regie, Ausstattung), Helen Körte (die entzückenden Variete-Szenen im hinteren Teil) und Bastian Fiebig (Musik) vielleicht lediglich, daß man sieht und hört, was hier zu sehen und zu hören ist : Raija Siikarvita als Kobold und Christian Lehmann-Carrasco als Data. Sie ist ein mehrstöckige Torte, ein nach Liebe sich sehnender Frosch. Er bleibt auch eingerüstet bis dorthinaus höchst beweglich. Sie tänzeln friedfertig und umzäunen die Zuschauertribüne mit einem Regenbogenband. Sie wollen gleich mit Riesenringen jonglieren. Sie sehen aus wie ein Mann. Sie reden ohne Unterlaß, wie aus Büchern, aus der Erinnerung und aus der Lamäng. Physiker und Lyriker Dazu: Wilfried Fiebigs Kostüme und Objekte, die erneut durch ihre offensive Nutzlosigkeit becircen. Sie werden hereingerollt, an die Decke gehängt, arrangiert, modifiziert, als könnte es garnicht anders sein. Dabei ist es verrückt und rätselhaft. Eine Sopranistin (Gabrielle Zimmermann), ein jugendlicher Geiger (Max Dreier) und ein Saxophonquartett, die uns traurig machen können, aber auch mit Jahrmarktsgenudel wieder froh. Hier und da fällt ein bitterer Satz, den man gleich unterschreiben möchte: Daß Physiker so viel gelten und Lyriker so wenig, zum Beispiel.
Von JUDITH VON STERNBURG ( Frankfurter Rundschau 2.6.08)

Daß man sich der Produktion besser genußvoll (auch mit den Augen), ohne nach einem roten Faden zu suchen. Der nämlich wird vom äolischen Windgott in die vier Himmelsrichtungen des Saxophons verweht (Tenor: Susanne Riedl, Alt: der Komponist, Bastian Fiebig, Bariton: Jürgen Faas, Sopran: Stefan Weilmünster). Zum Genuß tragen noch Gabrielle Zimmermanns schöner Mezzosopran und Max Dreiers Violine bei, nur helfen sie der windzerzausten Erzählform so wenig auf wie die quecksilbrige Darstellung der sprunghaften Szenen oder Wilfried Fiebigs geistvoller Umgang mit Kostüm und Bühnenbild. Aber da ist noch der ästhetische Genuß am Moment. Zur Hölle mit der Dtruktur ? Farbe erzählt eben nicht in der Zeit ("diachron"). sie ist mit einem Male da ("synchron"). Mit Musik sieht es freilich anders aus, mit Theater sowieso. Im Saal legen Raija Siikavirta im roten Kleid mit lila Schleifchen hinten und Spiegeln vorn sowie Christian Lehmann- Carrasco in einem schwarzen Turmgestänge wie antike Kriegsmaschinen wacker los mit einem Spiel über Goya und die Schlachtentoten. Das ist ungefähr das Letzte, was man begreift. Irgendwann ist noch von Newtons Prisma die Rede und von Noahs Sintflut. Sehr philosophisch das Ganze, mit festem Blick auf den Menschen in der Geschichte, schillernd-bunt und sprunghaft. Aber wozu ? MARCUS HLADEK (Frankfurter Neue Presse, 2.6.08 )

Gallus-Theater Farbenlehre mit praller Bilderfülle
Mit Farbe wird gespart. Es dominiert die klassische Polarität von Schwarz und Weiß. Bunte Töne sind als Tupfer auf einer Grundierung von schlichter Eleganz aufgetragen. Was aber heißt beim Ensemble 9. November schlicht ? Die Bilderfülle bordet über im Musiktheaterstück "Aus dem Leben einer Farbe" , einem in Frankfurts Gallus-Theater zur Premiere gebrachten Wurf von Wilfried Fiebig. Die eine Hälfte des Leitungsduos steht für die kantige Handschrift der Gruppe. Theater, Tanz, Kunst, Musik, Literatur und Philosophie werden zum janusgesichtigen, doch homogenen Ganzen gefügt. Die Zuschauer werden abgeholt von den Saxophonisten des Vierfarben-Quartetts um Bastian Fiebig. Wandelnd auf den Bodenfresken der Städelabsolventin Zero Heiko Ishihara, schichten sie mit kanonartigen Einsätzen ihre Töne. Groteske bis poetische Tänzchen wagt das Duo Raija Siikavirta(Christian Lehmann-Carrasco. Goya zu sein behaupten beide, er angetan mit raumhoch schwankenden Holzgestell. Sie, im roten Spiegelkleid, zitiert den Satz vom Fuß, der ein zweites Mal nicht in denselben Fluß tritt. "Nur H2O" , skandieren sie, einer hängenden Schallplatte gleich. das Treiben ist mit Anspielungen quer durch die Epochen gespickt. Farbenlehre-Verfasser Goethe ist obligatorisch, Gertrude Stein, Kurt Schwitters: Tausenderlei im endlosen Textstrom, nur von musikalischen Punkten des Innehaltens gebrochen. Ein Kraftakt der neoavantgardistischen Art. Eine Kunstschau in bewegten Bildern. Acht weiße Tafeln mit reliefartigen Lineaturen schließen an Kunstströmungen der 60er Jahre an. Die Spieler treten in immer neuen bizarren Kostümen auf. Der Künstler als Bühnenarbeiter schafft mit seinen Objekten fortwährend neue Raumsituationen für ein burlesk-expressionistisches Spektakel, in das einige von Helen Körte, zweite Hälfte der Leitung, inszenierte Varieteszenen implantiert sind. Die Tonspur, von Mezzosopranistin GabrieleZimmermann besetzt, changiert zwischen barock durchwirktem Minimalismus, zackigem Jazzgroove und skelettiertem Rap. Drall bis an dem Rand der Überladung, vertraut und jedesmal aufs Neue ein Unikat: So gelingt dem Ensemble produktive Variabilität im Kontinuum!
STEFAN MICHALZIK (Offenbach Post, 6.6.08)

PRESSE-Bilder:


Fotografie - Sabine Lippert
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Premiere: 04. April 2008


Weitere Aufführungen:
Sa. 05. April 2008
So. 06 April 2008
Mi. 09. April 2008
Do. 10 April 2008


Gallus-Theater
Kleyerstr. 15
60326 Frankfurt
069 / 75 80 60 20




Fotos: Sabine Lippert

Gallus-Theater
Kleyerstr. 15
60326 Frankfurt
069 / 75 80 60 20


"Nach Moskau, Teufel noch eins!"

nach dem Roman "Der Meister und Margarita" von Michail Bulgakow



Regie: Helen Körte
Komposition: Uwe Kremp
Bühne: W. Fiebig
Darsteller/innen Raija Siikavirta, Susanne Schyns, Katrin Schyns, Christian Lehmann Carrasco Musiker Johannes Braun (Violine), Monica Ries (Mezzosopran), Uwe Kremp (Piano, Gitarre)

„Das E9N bedient die ganze Palette der Bühnenkunst“
Journal Frankfurt
„Fürwahr eine prächtige, üppige Inszenierung, eine Orgie für alle, die im Theater etwas sehen und hören wollen.“
Frankfurter Rundschau

Unglaubliche Dinge geschehen im Moskau der dreißiger Jahre. Der Teufel selbst ist es, der den Auftakt zu phantastischen Ereignissen gibt. Begleitet von einem langen Kerl und einem Kater stürzt er Moskau in ein Chaos aus Hypnose, Spuk und Zerstörung - die Heimsuchung für Heuchelei und Korruption. Aber die unglückliche Liebesgeschichte zwischen dem Meister und Margarita kann vielleicht noch ein gutes Ende finden ... Fabel, Legende, Phantasie und Groteske verbinden sich in dieser musikalischen Dramatisierung.

Dieser phantastische Roman, aufs Wesentliche verkürzt und verdichtet, liefert den Anlaß- und Ausgangsstoff für seine Auslegung und Interpretation durch eine eigens dazu komponierte Musik, für durchchoreographierte Sprache und Spiel, für Tanz und Bildende Kunst. Mit dieser komponierenden Arbeitsweise orientiert sich das ENSEMBLE 9. NOVEMBER an der Idee des Gesamtkunstwerks.

Vielschichtig die vertikale Objektbühne, in deren Untergrund, Parterre und einer ersten, schwebenden Etage sich das phantasiebewegte Spiel präsentiert. Assoziationen von Eispalast, Versaille, Kanalisation, Grandhotel, Mietshaus, Irrenhaus wechseln sich ab. Die Bühne ist ein weißer Kubus, zerteilt durch ein verspiegeltes Kreuz (siehe: Kasimir Malewitsch, 1917). Die zu Collagen geronnenen Kostüme unterstützen die starke Visualität des Spiels. Sein Wirken besteht darin, Themenschwerpunkten des Romans in einem Band aus bewegten Bildern zum Leben verhelfen. So sehen wir eine Rap-Arie für Wohnungssuchende, das Moskauer Literaten-Menü als Spitzentanz, einen walzenden Satansball, ein Schachspiel, Zug um Zug und Sprung, die Jagd auf einen Devisnik in den Schächten der Stadt.

Michail Bulgakow wurde am 15. Mai 1891 in Kiew geboren und starb am 10. März 1940 in Moskau. Nach einem Medizinstudium arbeitete er zunächst als Landarzt, zog aber dann nach Moskau, um sich ganz der Literatur zu widmen. Er gilt als einer der größten russischen Satiriker und hatte zeitlebens unter der stalinistischen Zensur zu leiden, seine zahlreichen Dramen durften nicht aufgeführt werden, seine bedeutendsten Prosawerke konnten erst nach seinem Tod veröffentlicht werden.

1999 Gastspielreise Moskau/Jaroslawl, wieder in Frankfurt 2008